Fotos: Oliver Berg
PRESSE | REVIEWS
“(...) In Münster hat Hendrik Müller der naheliegenden Versuchung widerstanden, das Ganze als naturalistische Milieustudie zu inszenieren.
Für die ästhetische Übersetzung der Wirklichkeit in Kunst sorgte Rifail Ajdarpasic mit einem ebenso simplen wie genialen optischen Trick. Er legte die Hausfront platt auf den Boden und projiziert sie mittels einer riesigen, schräg gestellten Spiegelfläche auf die Rückwand, so dass der Zuschauer alles doppelt sieht. Auf der Horizontalen stolpern die Darsteller durch den schmalen, die Spielfläche verengenden Irrgarten. In der Vertikalen spiegeln sie sich als akrobatische Fassadenkletterer, als wollten sie dem lastenden Alltag entfliehen, hängen kopfüber aus den Fenstern oder scheinen in die Tiefe zu stürzen. Das Erdenschwere der Handlung wird dadurch mit einer überbordenden Leichtigkeit ausbalanciert, wie sie auch die Musik besitzt. (...)“ Opernwelt
“(...) Ein grandioses Bühnenbild nimmt die Zuschauer sofort ein. (...) Für die Zuschauer ist es ein beeindruckender Genuss. (...)“ Erlesenes Münster (Kulturblog)
“Kurt Weill war ein absolutes Vorbild, wenn es um das Thema Integration geht. Seinen jeweiligen Exilorten passte er sich schnellstmöglich an, weil er wusste, dass man nur mit der Sprache eines Landes leben kann und nicht an ihr vorbei. So schrieb er in Paris ganz schnell französische Lieder und in New York eine amerikanische Oper: Street Scene. Und dieser Titel trifft den Nagel auf den Kopf. In einem tristen Wohnviertel spielt sich das Leben bei heißem Wetter auf der Straße ab. Es treffen Menschen mit unterschiedlichen Temperamenten aufeinander und alle haben einen – heute sagt man: Migrationshintergrund.
Street Scene ist ein personenreiches Stück, das Konflikte thematisiert, die auftreten können, wenn viele Menschen in großer Nähe zusammenleben. Diese Nähe herauszuarbeiten gelingt vor allem durch Rifail Ajdarpasics geniales Bühnenbild.
Das Riesenensemble macht seine Sache ganz ausgezeichnet. Alle formen ein »Biotop« aus Menschen mit Sehnsüchten, Träumen und Nöten, kitzeln aus den vielen kleinen Rollen individuelle Charaktereigenschaften heraus.
Kathrin Filip ist Rose Maurrant, die stimmlich Kraft und Stärke beglaubigt, aus ihrer Umgebung auszubrechen und ein neues Leben zu beginnen. Und bewusst ihren Freund zurücklässt, dem Garrie Davislim den Touch des verträumten Intellektuellen gibt. Kristi Anna Isene lässt Sehnsucht und Traurigkeit fließen in ihre Anna Maurrant, die völlig unverstanden ist von ihrem Ehemann, dem jegliche Empathie fehlt. Gregor Dalal meißelt mit sonorer Tiefe seine rein funktionalen Ansprüche wie ein Presslufthammer in seine Familie.
Stefan Veselka und das Sinfonieorchester Münster nehmen den »Spirit« von Kurt Weills Hommage an seine neue Heimat auf, lassen ihn erblühen.“ theaterpur.net
“(...) Denn so atomisiert die Szenen zunächst wirken, so geschickt arbeiteten Rice und Weill allmählich die Konturen des Dramas heraus, das sich im zweiten Akt zu einer Tragödie antiken Zuschnitts steigert. Man darf sich nicht täuschen lassen: Im Flair des Alltäglichen wird die Frage, wie Leben gelingt oder sich verfehlt, nicht klein gemacht. Sie wird aber neu verortet in einer konkreten Gegenwart und in Menschen, die uns heute auf unseren Wegen auch begegnen könnten. Das macht den Realismus in Weills Oper aus, der aber überhöht wird und die Story ins Prinzipielle steigert.
Am Theater in Münster verlieren Müller und sein Bühnenbildner Rifail Ajdarpasic beide Aspekte nicht aus den Augen. Ein so präzise analysierendes und gleichzeitig sinnlich faszinierendes Bühnenbild ist selten zu erleben: Das abgewohnte Gründerzeit-Mietshaus mit seinen lichtlosen Fenstern im Zentrum des Raumes ist nur scheinbar ein realer Bau. Ein riesiger Spiegel bildet ab, was tatsächlich auf dem Bühnenboden liegt – und wenn sich die Darsteller auf dieser durch Simse, Schwellen und Vertiefungen gegliederten Fläche bewegen, betrachtet sie der Zuschauer im Spiegel von oben.
Die raffinierte Konstruktion ermöglicht Hendrik Müller und seiner Choreographin Andrea Danae Kingston, konkrete Handlungs- und spiegelnde Meta-Ebene gleichzeitig zu gestalten. Das Abbild der Figuren bricht Realismus auf, macht Spuren des Seelischen in der Haltung der Körper und in ihren Bewegungen sichtbar. Menschen, die nahe am inneren Absturz sind, klammern sich mit einer Hand an einen Fenstersims, als fielen sie jeden Moment in die Tiefe; eine Frau hängt kopfüber über eine Brüstung, als könne sie sich nur noch mit Mühe halten: Bilder gefährdeten Daseins; daneben bilden sich für Momente abstrakte Formationen, kühl, schön und bedeutungsoffen.
Das Bild überhöht auf diese Weise das Sozialdrama, wendet es ins Psychologische und ins Parabelhafte. (...)“ Online Merker
“(...) Der optische Clou der Inszenierung ist das Bühnenbild. Rifail Ajdarpasic hat die Hausfront horizontal auf die Bühne gelegt und eine gigantische Spiegelfläche schräg darüber gestellt, sodass das Publikum die Fassade im Spiegelbild sieht - und wenn die Darsteller auf der Bühne herumlaufen, sitzen oder liegen, dann sieht es so aus, als hingen sie kopfüber in den Fenstern oder kletterten waghalsig auf den Simsen herum. Das gibt immer wieder verblüffende Bildeffekte (...).“ Online Musik Magazin
“Minutenlanger Applaus und stehende Ovationen für Street Scene in Münster
(...) Wie macht man aus einem Potpourri an musikalischen Stilen, verschiedenen Charakteren und einem Mix aus Oper und Musical ein zusammenhängendes, mitreißendes Stück? Man nehme ein Bühnenbild, das Einblicke in die Seelen der Figuren erlaubt, herausragende Sänger, einen Dirigenten, der die Musik des Stücks lebt und eine feine Prise Gesellschaftskritik. Das scheint das Erfolgsrezept des Teams um den Regisseur Hendrik Müller für „Street Scene“ in Münster zu sein. Gleich zu Beginn holt die Inszenierung den Zuschauer in das farbenfrohe, schräge, aber auch graue, kühle Großstadtleben von New York. Das Bühnenbild zeigt eine liegende graue Hausfassade, über der ein Spiegel in Richtung des Publikums installiert ist. Die Bewohner liegen in den Fenstern der Häuser und beklagen sich über die unerträgliche Hitze in der Stadt. Im Spiegel sieht es für die Zuschauer dabei so aus, als ob die Figuren gedankenverloren in den Fenstern hängen oder manchmal sogar entlang der Fassaden klettern. Dazu erklingen großstadttypische Orchesterklänge: Autohupen, nachgeahmte Fahrgeräusche und Polizeisirenen. Das Spiegelbild von New York gipfelt zuletzt in Cheerleaderinnen in den Farben der amerikanischen Flagge, die mit silbrig-glitzernden Pompons zur Nummer „I got a marble and a star“ tanzen. Die Assoziationen des Zuschauers sind geweckt: die glitzernde Welt des Broadways und die amerikanische Großstadt. Orte, an denen Träume wahr werden können. (...)
Hendrik Müllers Street Scene-Inszenierung ist voll von visuellen und akustischen Highlights. Es vergeht keine Szene, in der nicht irgendetwas Überraschendes oder Spannendes passiert. Dabei verliert er nie den Bezug zur heutigen Gesellschaft, wenn er etwa mit live-gedrehten Videoinstallationen den Drang zur Selbstdarstellung und die Schaulust der heutigen Selfie-Generation kritisiert.Die musikalische Umsetzung von Stefan Veselka steht dem in Nichts nach. Er schafft es, das musikalische Potpourri an verschiedenen Stilen natürlich verschmelzen zu lassen. Sicherlich auch im Sinne von Kurt Weills Traum: Die „Verbindung von Drama und Musik, in der das Singen auf natürliche Weise dort einsetzt, wo das Sprechen aufhört.“ Diese Leistung wurde zu Recht vom Publikum mit minutenlangem, begeistertem Applaus und stehenden Ovationen gewürdigt.“ terzwerk
“Im Großen Haus hält Münsters Erster Kapellmeister Stefan Veselka alle Fäden souverän in der Hand. (…) Bei den flotten Ensembles des ersten Akts wackelt nicht, und wenn Will in der Dramatik des zweiten Akts zunehmend den spätromantischen Zeitgenossen sowie dem Überväter Wagner huldigt, öffnen sich die orchestralen Schleusen – und man merkt auch hier, wie flexibel der Dirigent die Tempi handhabt, wie organisch er die Sänger begleitet.
Die agieren auf ungewohntem Terrain, denn Bühnenbilder Rifail Ajdarpasic hat eine imposante Hausfassade auf den Boden gelegt. Ein Spiegel hebt optisch die Fassade in die Senkrechte (…). Um so vergnüglich-virtuos der Regisseur Hendrik Müller diese Vorgabe nutzt, so schön ist zugleich auch die Symbolik, etwa das sich Privates und Öffentliches durchdringen.(…)
Weills Stil-Pluralismus ist nicht nur hörenswert, sondern trifft auch den bleibend aktuellen Kern des Textes, in dem sogar ein Ständchen aufs sommerliche Eis zum Appell für Toleranz und Vielfalt steht.“ Westfälische Nachrichten